• Pages

Zukunftsmärkte für den Mittelstand

Newsletter: DEG für deutsche Unternehmen

Schwerpunkt: Neue Märkte
Interview: Hierauf müssen sich deutsche Unternehmen im Ausland einstellen
Länderbeispiele: Dynamische Märkte in Südostasien
DEG-News

Ausgabe 3 | Dezember 2022

Editorial


Liebe Leserinnen und Leser,

dieses Jahr war von enormen Umwäl­zungen geprägt: Die Spätfolgen der Corona-Pandemie, der andauernde Krieg gegen die Ukraine und die dadurch ausgelösten Preisschocks bei Energie und Nahrungsmitteln sind wesentliche Ursachen für die in vielen Regionen der Welt ange­spannte wirtschaftliche Lage. Auch viele deutsche Unternehmen muss­ten diesen enormen Herausforderungen kurzfristig begegnen und prüfen nun auch, sich langfristig neu aufzustellen.

Was gilt es also zu tun? In dieser Ausgabe widmen wir uns dem ver­änderten globalen Umfeld und analysieren, worauf sich deutsche Unternehmen im Ausland einstellen müssen. Dabei werfen wir einen Blick auf Zukunftsmärkte und -branchen, die bei der Suche nach alternativen Standorten und Geschäfts­möglich­keiten an Bedeutung gewinnen. Im Interview berichten unsere German Desk Manager aus Nigeria, Kenia und Indonesien, wie sich die aktuelle globale Situation in ihren Zielländern auswirkt und in welchen Bereichen deutsche Unter­nehmen jetzt gefragt sind. Außerdem blicken wir auf dynamische Märkte in Südostasien. Dort werben die ASEAN-Länder mit zukunfts­trächtigen Investitions- und Geschäftsmöglichkeiten jenseits von China verstärkt um ausländische Investoren.

Wir wünschen eine interessante Lektüre. Mit herzlichen Grüßen

Ihr Klaus Helsper Abteilungsleiter Deutsche Wirtschaft

Schwerpunkt


Neue Märkte: Wie deutsche Unter­nehmen Liefer­ketten und Absatz­­märkte weiter diversi­fizie­ren können


Hohe Inflation sowie steigende Preise für Nahrung und Ener­gie als Folgen von Russlands Krieg in der Ukraine belasten derzeit zahlreiche Volkswirtschaften weltweit. Hinzu kommen neue geopolitische Un­sicherheiten sowie die Heraus­for­derun­gen zur Bewältigung des Klimawandels.

Für die deutsche Industrie mit ihrem hohen Exportgeschäft sind die aktuellen globalen Heraus­forderungen besonders relevant. Laut Angaben von Germany Trade & Invest (GTAI) betrug die Außenhandelsquote Deutsch­lands, also der Anteil der Im- und Exporte am Brutto­inlands­produkt, 2020 fast 70 %. Deutsch­land belegt Rang 3 der größten Exportnationen, wobei der Großteil der Exporte in die USA und nach China geht.

China bietet deutschen Unter­nehmen nach wie vor sehr gute Wachstumschancen, aber ihre Abhängigkeiten von den dor­tigen Entwicklungen sind hoch. So könnten die anhaltende Null-Covid-Politik Chinas, das abflau­ende Wirt­schafts­wachs­tum und politische Unsicherheit die Aktivitäten deutscher Unter­nehmen dort zu­neh­mend ein­schrä­nken. Auf der Suche nach alternativen Standorten und Geschäftsmöglichkeiten werden Märkte in bisher weniger beach­teten Ländern in den Blick genommen.

Zukunftsmärkte: ASEAN-5 und Subsahara-Afrika

In den Fokus geraten dabei etwa die Märkte in asiatischen sowie afrikanischen Entwicklungs- und Schwellen­ländern. Sie bieten nicht nur alternative Exportziele, sondern sind auch potenzielle Produk­tions­standorte für den Aufbau neuer Liefer- und Wert­schöpfungsketten.

Die wirtschaftlichen Prognosen sind gut. Laut Internationalem Währungsfonds (IMF) wird das Bruttoinlands­produkt 2023 in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern erneut deutlich stärker wachsen als im globalen Durchschnitt (siehe Info­grafik). Besonders hoch ist der Zuwachs in den ASEAN-5-Ländern – Indo­nesien, Malay­sia, Philippinen, Thailand, Vietnam – und in Teilen Subsahara-Afrikas. Bereits zwischen 2000 und 2020 legte der Anteil der Region Asien-Pazifik laut GTAI an den gesam­ten deutschen Ausfuhren um 6,3 % zu, sie war damit zweitstärkste Region nach Mittel- und Osteuropa.

Die wirtschaftliche Entwicklung an solchen Standorten wird durch hohes Bevölkerungs­wachstum, steigende staatliche Investitionen und eine wachsende Mittelschicht gestärkt. In Afrika gewinnen insbesondere die nordafrika­nischen Länder der MENA-Region für das „Nearshoring“ an Attraktivität. So ist Tunesien wichtiger Zulieferer für die Kfz-Industrie und zuneh­mend als Standort für Softwareunter­nehmen gefragt. Plus­punkte sind das hohe Bildungsniveau, wett­bewerbsfähige Löhne und eine relativ gute Infrastruktur.

Um sich resilienter aufzustellen, könnten deutsche Unter­nehmen von einer stärkeren Diversi­fizie­rung ihrer Export­märkte und Zulieferer profitieren. Zudem sind beim Aufbau von Produktions­standorten in ver­schie­denen Sektoren techno­logische Inno­vationen deutscher Unternehmen gefragt. Laut World Investment Report der UNCTAD waren 2021 die meis­ten SDG-relevanten „greenfield“-Direktinvestitionen in Afrika und Asien für die Sek­toren Erneuer­bare Energie, Telekommu­nika­tion, Transport und Nahrungs­mittel ange­kündigt. Experten und Expertinnen der DEG sehen darüber hinaus große Investi­tionschancen in den Bereichen Land­wirtschaft, Medizintechnik und Digitali­sie­rung (siehe Inter­view).

Zukunftsbranchen: Erneuerbare Energien, Gesundheits­wirt­schaft und digitale Angebote

Laut Daten der OECD und der Internationalen Energieagentur IEA decken erneuerbare Ener­gien bereits jetzt zu einem Großteil den steigenden Strom­verbrauch in Schwellen- und Entwicklungsländern. Hier entstehen auch für deutsche Unter­nehmen weitere Inves­titionschancen. So bieten Marokko und Namibia großes Poten­zial für Sonnen- und Windenergie und deutschen Unternehmen Chancen für die Produktion etwa von grünem Wasserstoff. In Namibia fördert das BMBF ab Anfang 2023 vier deutsch-namibische Wasserstoff-Projekte.

Ein weiterer Sektor mit Potenzial ist die Gesundheitswirtschaft. Hier sind zum Beispiel Aus­stattung für Krankenhäuser, Impfstoffe und Medikamente sowie Medizin­technik gefragt. Markttreiber in Entwicklungs- und Schwellen­ländern ist eine schnell wachsende Mittelschicht, die auf private medizinische Versorgung setzen. Dazu zählen zum Beispiel Diagnose und Behandlung von chronischen Krank­heiten wie Krebs, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkran­kungen. Dabei kommen Techno­logien wie Telemedizin oder Virtual Surgery Intelligence (VCI) zum Einsatz.

Eine weitere Zukunftsbranche ist die Digital Economy. In etlichen Entwicklungs- und Schwellen­ländern werden digitale Lösun­gen bereits heute breit einge­setzt und genutzt. Mit Hilfe digitaler Technologien entstehen seit über einem Jahrzehnt neue Geschäftsmodelle, zum Beispiel mobile Zahlungslösungen und weitere Digital-Finance-Pro­dukte, etwa für Kredite. Zudem sind digitale Logistik­dienst­leistungen und E-Commerce-Angebote gefragt.

Diese Beispiele zeigen, dass es sich für deutsche Unternehmen lohnen kann, neue Wachstums­märkte in den Fokus zu nehmen und die Digitalisierung ihrer Angebote stärker voranzutreiben. Wer diese Chancen nutzt, könnte im Wettbewerb perspek­tivisch besser bestehen.

Infografik


Wachstum in Entwicklungs- und Schwellen­ländern bleibt über­durch­schnittlich


­Laut Prognosen des Internationalen Wäh­rungs­fonds (IMF) wird das Brutto­­inlands­produkt weltweit 2023 um 2,7 % wachsen. In den ASEAN-5 soll das BIP durch­schnitt­lich um 4,9 %, in Sub­sa­hara-Afrika um 3,7 % und in Latein­amerika/Karibik um 1,7 % steigen.

Vietnam

6,2 %

Indien

6,1 %

Kenia

5,1 %

Subsahara-Afrika

3,7 %

Nigeria

3 %

Peru

2,6 %

ASEAN-5*

4,9 %

*Indonesien, Malaysia, Philippinen, Thailand, Vietnam.

Quelle: Internationaler Währungsfonds (IMF), World Economic Outlook, Oktober 2022

Interview


Multiple Krisen ver­schärfen den globa­len Wett­bewerb: Hierauf müssen sich deutsche Unter­nehmen im Ausland einstellen


­­­Durch die global steigende Infla­tion, Überschuldung von Ländern sowie Preisschocks bei Nahrung und Energie erleben auch viele international tätige deutsche Unternehmen gerade eine schwie­rige Situation. Das beschäftigt auch die Manager der German Desks der DEG, die mittel­stän­dische deutsche Unternehmen und ihre lokalen Handelspartner bera­ten und Finanzierungs­lösun­gen arrangieren.

Im Gespräch mit (v. l. n. r.) Sebastian Barroso da Fonseca (Nigeria), Sophie Kaminski (Kenia) und Volker Bromund (Indonesien) beleuchten wir, wie sich die globalen Heraus­for­de­run­­gen in diesen Märkten aus­wirken und wie deutsche Unter­nehmen sich dort zukunfts­sicher aufstellen können.

Welche unmittelbaren Folgen hat die global angespannte Situation für die deutschen Außen­wirt­schafts­beziehun­ge­n in Ihren Zielländern?­ 

Sophie Kaminski: In Kenia sind wir unmittelbar von Preis­steigerungen und insbesondre von erhöhten Frachtkosten betroffen. Derzeit gibt es Prog­nosen für ein Wirtschafts­wachs­tum in 2023 von rund 5 %, was an sich nicht schlecht klingt. Aber für ein Entwicklungsland wie Kenia mit einem jährlichen Bevöl­kerungs­wachstum von mehreren Millionen Menschen ist das nicht genug. Hinzu kommen eine Inflation der Lebens­mittel­kosten und eine Präsident­schafts­­wahl in diesem Jahr, die – Gott sei Dank! – ruhig verlief. Der neue Präsident William Ruto ist relativ wirtschaftsorientiert. Allerdings sind jetzt die Subven­tionen für Benzin genauso wie für das Grundnahrungsmittel Maismehl ausgelaufen. Das wird sich weiter auf die Inflation aus­wirken und Schwierigkeiten für den Konsum und die Konjunktur auslösen.

Volker Bromund: Bei Indonesien kann man sagen, es gibt ein lachendes und ein weinendes Auge. Das lachende Auge: Die Chancen sind da. Das Land hat sehr viele Rohstoffe, wie Kupfer, Nickel, Gold und Kohle. Viel davon geht in den Export. Diese Bran­chen profitieren natürlich extrem von den stark gestiegenen Roh­stoffpreisen. Aber durch die hohen Energie­preise ist die Inflation in Indonesien ange­kommen. Zwar ist das Land Mitglied der OPEC und produziert 900.000 Barrel Öl pro Tag sowie sehr viel Gas. Jedoch verbraucht das Land auch mehr Öl, als es produziert, und muss raffinierte Produkte einführen. Da schlägt natürlich die Inflation voll zu. Im Septem­ber hat Indonesien die Preise für Benzin – der Markt wird quasi von einem staatlichen Monopol kontrolliert – um 30 % erhöht. Es gibt gegen die Preis­steigerung bei Lebens­mitteln und Energie inzwischen auch Mas­sen­proteste. Daher erwarte ich schwierige Zeiten.

Viele Schwellen- und Entwicklungsländer haben sich gerade von den Folgen der Corona-Pandemie erholt. Wie stark sind Ihre Ziel­länder nun von einem Rückfall in eine Rezession gefährdet?

Sebastian Barroso da Fonseca: Inflation war in Afrika schon immer ein Thema, aber das gilt jetzt natürlich umso mehr. In Nigeria hatten wir in den letzten Monaten eine Inflation von 19,81 % – Tendenz steigend. Das Land ist aber vor allem sehr stark von Währungsreserven abhängig. Während der Covid-Krise haben viele Investoren in Nigeria inves­tiert und ihr Aus­lands­port­folio ausgebaut. Jetzt erleben wir aber, dass diese Gelder sukzessive abgezogen werden, weil in Ländern wie den USA die Zinssätze wieder attrak­tiver werden und das Risiko dort geringer ist. Das bedeutet, dass viele Firmen vor Ort weniger Zugang zu Fremd­wäh­run­gen bekommen.

Sophie Kaminski: In Kenia haben wir definitiv eine ähnliche Situation. Ersatzinvestitionen werden immer schwieriger. Das liegt auch an einem steigenden Handelsdefizit – Kenia impor­tiert ungefähr doppelt so viel, wie es ausführt. Exportiert werden hauptsächlich Roh- oder leicht verarbeitete Produkte aus dem Landwirtschaftsbereich. Mit den steigenden Fracht­kosten wird es immer schwieriger, diese auf dem Weltmarkt zu platzieren. Gleichzeitig kommt einfach nicht genug Fremd­währung rein, so­dass wir uns die teuren Importe für Maschi­nen und Anlagen nicht mehr leisten können. Der kenia­nische Schilling hat im Vergleich zum US-Dollar, der extrem wich­tig für die lokale Wirtschaft ist, an Wert verloren.

KONTAKT

German Desk Kenia Sophie Kaminski I&M Bank Limited M: +254 772 547 328 T: +254 719 088 908

E-Mail

Auch in Deutschland leidet die Wirtschaft unter hohen Energiepreisen. Laut einer Umfrage des BDI denkt rund ein Fünftel der deutschen industriellen mittel­stän­di­schen Unternehmen darüber nach, die Produktion ins Ausland zu verlegen. Sind Entwicklungs- und Schwellen­länder attraktive Alternativen?

Volker Bromund: Auch in Asien sind die meisten Länder ab­hängig von Energieimporten. Eine Verlagerung der Produk­tionen aus Europa heraus ist auf Grund der Trans­portkosten also eher unwahrscheinlich. Was man aber klar sieht, ist eine Produk­tionsdiversifizierung von China in die umliegenden Länder. Man will sich weniger abhängig von China machen. Zusätzliche Produktions­kapazitäten werden also nicht mehr dort aufgebaut, sondern in bestimmten anderen südost­asiatischen Staaten. Davon profitieren zum Beispiel Vietnam und auch Thailand sehr stark.

Sebastian Barroso da Fonseca: Auch in jedem afrikanischen Land gibt es hierzu ganz unter­schiedliche Vorgehens­weisen. In manchen Ländern versucht man, Investoren und Produktions­stätten ins Land zu bringen. Auf der anderen Seite erleben wir aber auch, dass nach der Corona-Pandemie Staaten versu­chen, unabhängiger zu sein und sich zu diversifizieren. Siemens zum Beispiel hat jetzt mehrere große Energieprojekte in Nigeria gewinnen können. Aber diese laufen nur langsam an und es wird manchen Initiativen immer wieder kurzfristig ein Riegel vorgeschoben. Dennoch ist Wasserkraft in Nigeria ein großes Thema, das auch für deutsche Akteure sehr interessant ist. Die nigerianische Botschaft in Berlin knüpft hierzu inten­sive Kontakte. Aber ent­schieden wird in diesem Jahr in Nigeria wohl nichts: Erst nach den Wahlen im kommenden Februar wird man sehen, was in diesem Bereich konkret passiert.

­­­­­Welche Unterstützung erfahren deutsche Unter­nehmen, die sich in Nigeria oder Kenia engagieren, und wo ist Deutschland beson­ders gut aufgestellt?

Sebastian Barroso da Fonseca: Im Finanzsektor spielt die DEG mit ihrem Standort in Nigeria eine wesentliche Rolle. Auch die KfW IPEX finanziert in dem Land viele Infra­struktur­projekte, wie zum Beispiel Schieneninfrastruktur, die die Verbindung zwischen dem Süden und Norden Nigerias sicher­stellt. Und auch seitens der deutschen Politik sehe ich großes Interesse an Nigeria. Das Land ist die größte Volkswirtschaft Afrikas mit einer Bevölkerung von 200 Millionen Menschen, die sich in den nächsten 30 Jahren verdoppeln wird. Das ist natür­lich ein Riesenpotenzial. Aber diese Entwicklung braucht Zeit.

KONTAKT

German Desk Nigeria Sebastian Barroso da Fonseca Access Bank Plc. T +234 81 26 33 09 66

E-Mail

Sophie Kaminski: Ich finde es sehr interessant, Sebastian zuzuhören, weil Nigeria so anders aufgestellt ist als Kenia. Wir haben aktuell tatsächlich noch kein Problem mit steigenden Energie­prei­sen, weil gut 90 % der Ener­gie des Landes aus lokalen, erneuerbaren Quellen kommt. Wasserkraft und Geothermie spielen in Kenia eine große Rolle. In diesem Bereich sind wir ein Vorbild für den Konti­nent, aber definitiv auch für Deutsch­land.

Die Chancen für deutsche Unter­nehmen in Kenia liegen vor allem in der Digitalisierung und IT. Kenia wird oft – ein bisschen romantisch – als „Silicon Savannah“ bezeichnet und ein paar deutsche Unternehmen haben bereits ihre IT-Dienst­leistung nach Ostafrika verlegt. Eine Verlagerung von produ­zierenden Unternehmen sehe ich auch nicht, aber es gibt dennoch gute Chancen. Hervorzuheben ist, dass der neue Präsident Ruto nach seiner Inauguration die deutsche Bundes­regierung, vertreten durch Ex-Bundes­präsident Christian Wulff und den deutschen Botschafter, als Erstes empfangen hat. Das zeigt sicher auch, wie wichtig die Beziehung zwischen beiden Län­dern ist. Konkret ging es dabei um das deutsche duale Aus­bildungs­system und wie man es vor Ort aufbauen kann. Es findet also viel Austausch auf Augenhöhe statt, damit beide Länder voneinander lernen und miteinander wachsen können.

Auch Indonesien ist ein riesiger Markt mit 270 Millionen Einwohnern. Welche Chancen sehen Sie für deutsche Unternehmen, sich trotz der aktuell schwierigen Situation langfristig in solchen Zukunftsmärkten aufzustellen, Herr Bromund?

Volker Bromund: Ich beobachte in den letzten 20 Jahren, dass sich das Engagement deutscher Firmen rein auf den Vertrieb und technischen Support für Maschinen beschränkt. Indone­sien hat eine große Binnen­konjunktur. Das ist auch die trei­bende Kraft für die wirt­schaf­tliche Entwicklung. Hier haben deutsche Mittelständler durchaus Chancen, da sehr viele Spezial­produkte verkauft werden. Aber man muss auch im Auge behal­ten, dass Indonesien von regio­nalen Wirtschafts­nationen wie Japan, Korea, Taiwan und haupt­sächlich China dominiert wird. Diese investieren und produ­zieren auch in Indonesien. Es kommen auch sehr viele Produkte aus Indien ins Land.

Wenn deutsche Unternehmen, wie vereinzelt in der Auto­indus­trie, in Indonesien produzieren, dann tun sie das haupt­sächlich für den lokalen Markt. Produkte aus Europa und Deutschland sind als hochpreisig bekannt und doch geschätzt. Aber die Anfor­derun­gen an Maschinen und Güter in Europa sind ganz andere als in Asien. Oft werden anstelle von deutschen Werkzeugmaschinen lieber einfachere chinesische Konkurrenzprodukte gekauft, die zwar weniger langlebig und vielseitig, aber auch um ein Vielfaches günstiger sind. Auch vom aktuellen Rohstoff-Boom können deutsche Unternehmen nur bedingt profitieren, da Deutschland zum Beispiel kaum Maschinen produziert, die im Bergbau oder der Öl- und Gas­förderung eingesetzt werden.

KONTAKT

German Desk Indonesien Volker Bromund T +62 21 2276 7137 M +62 811 952 651

E-Mail

Jenseits der Krisen, welche interessanten Entwicklungen erleben Sie gerade, auf die sich die deutschen Außen­wirt­schaftsbeziehungen einstellen sollten?

Sebastian Barroso da Fonseca: Ein großer Sektor mit Zukunfts­potenzial ist die Medizintechnik und der Zugang zu medizinischer Infrastruktur und Hospitalen. Das ist eine direkte Folge der Pan­demie. Nach meinem Eindruck haben gerade Besserverdienende gemerkt, dass es bessere lokale Infrastruk­tur braucht. Firmen wie B.Braun, Dräger und Fresenius sind jetzt in Afrika gefragt und erleben dort ein sehr starkes Wachstum.

Außerdem ist in Nigeria die Landwirtschaft nach wie vor ein wichtiger Zukunftssektor. Die Entwicklungs­banken incen­ti­vieren die Beschaffung von landwirtschaftlichen Maschinen in diesem Sektor durch niedrige Zinsen auf Kredite, die über die lokalen Banken weitergegeben werden. Das Land will seine Produktion ausbauen, um die Wirtschaft weiter zu diversi­fizie­ren, und setzt dabei auf Kakao, Cashewnüsse und Reis, die auch auf dem Weltmarkt verkauft werden sollen.

Sophie Kaminski: Auch in Kenia bergen die Bereiche Lebens­mittelherstellung und -verar­bei­tung große Chancen. Wir hatten in den letzten Jahren immer wieder mit Dürren zu kämpfen. Ich komme zum Beispiel gerade aus einem langen kenianischen Winter, der grau, aber trocken war. Daher gibt es eine große Nachfrage danach, Nutzpflanzen resilienter zu machen. Dünge­mittel und auch die Mechani­sierung der Landwirtschaft wer­den genutzt, um die Erträge effizienter zu machen. Auch Verpackungsanlagen aus Deutsch­land sind besonders gefragt. Aber auch diese stehen in direkter Konkurrenz zu den ostasia­tischen Modellen. Deutsche Unternehmen haben aber das Potenzial, sich mit ihren innovativen Lösungen und unter­stützenden Zahlungsmodalitäten in diesen Zukunftsmärkten durchzusetzen.

Volker Bromund: Ich würde den Fokus für deutsche Unter­nehmer und den Mittelstand auf einen ganz anderen Bereich legen, nämlich die Digital Economy. Indonesien und andere asiatische Staaten sind sehr technikaffin. Wir haben wahr­scheinlich neben Afrika weltweit die höchste Handydichte. Es gibt inzwischen vier Unicorns, die sich lokal etabliert haben. Alles im Bereich Digitalisierung – nicht nur Paymentsysteme, sondern auch Versicherungen, der Fin-Tech-Bereich und die Logistikbranche – erlebt seit Jahren große Wachs­tumsraten. Und hier bestehen natürlich auch Chancen für deutsche Unternehmen, die dort Techno­logien und Dienst­leistungen bereitstellen können. Zwar produzieren wir keine Handys und sind auch im Medienbereich nicht so stark aufgestellt. Dennoch unter­stützen viele deutsche Unter­nehmen diese Entwick­lung auch mit manchmal nicht besonders sichtbaren Technologien. Hinzu kommt noch das Thema E-Mobi­lität. Im Großraum Jakarta wohnen 25 Millionen Menschen. Die Luftverschmutzung ist sehr stark, so wie auch in Bangkok und anderen Städten der Region. Da geht die Tendenz natürlich hin zur E-Mobilität. Auch hier produ­ziert Deutschland vielleicht nicht die E-Scooter selbst, aber wir liefern zum Teil die Informations- und Unterstützungstechnologien, die hinter den E-Mobilitäts-Systemen stecken. Dort sehe ich sehr, sehr große Wachs­tums­chancen.


Länder­beispiele


Asiatische Alter­na­­­­ti­­ven: dynamische Märkte in Südostasien


­Rund 175 Mrd. US-Dollar ausländische Direkt­inves­titionen (FDI) flossen 2021 laut World Investment Report der UNCTAD in die ASEAN-5-Länder Indo­ne­sien, Ma­laysia, Philippinen, Thai­land und Vietnam. Das ist gegenüber den FDI von 2016 eine Steigerung um knapp 55 %. Der Inter­nationale Währungsfonds prognos­tiziert der Region für 2022 eine durch­schnitt­liche Wachs­tums­rate von 5,3 % und für 2023 4,4 %. Damit wächst sie 2022 deutlich stärker als etwa China (3,2 %).

Für deutsche Unternehmen, die auf der Suche nach Alterna­tiven zum Standort China sind, bieten die ASEAN-5 Länder interessante Perspektiven. Denn auch in diesen Teilen Asiens sind neue, attraktive Investitions- und Geschäftsmöglichkeiten ent­standen.

So wird das exportorientierte Vietnam mit seiner jungen Bevölkerung (43 % der Vietnamesen sind unter 24 Jahre alt) und einer wachsenden Mittelschicht als Consumer-Markt und Handelspartner für Deutschland immer wichtiger. Im August 2020 trat ein Freihandelsabkommen mit der EU in Kraft, womit Zölle auf EU-Exportwaren wie Arzneimittel, Chemikalien oder Maschinen entfallen. Die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen im Land sind relativ stabil. Vietnam punktet weiterhin bei der arbeitsintensiven Fertigung, hat aber in den letzten Jahren auch erhebliche Fortschritte beim Ausbau von Infrastruktur und Industrialisierung gemacht.

Anlässlich einer Delegationsreise des Ostasiatischen Vereins waren im November DEG und deutsche Unternehmen beim Ministry of Planning and Investments in Hanoi zu Gast.

„Das Potenzial in dem Land ist sehr gut und auch wenn das politische System dem chine­sischen sehr ähnelt, ist die Wirtschaftspolitik des Landes doch eine andere: Man hat dort stringente Rahmenbedingungen geschaffen und ist offener für alle Arten ausländischer Inves­titionen“, meint Daniel Marek, Regionalmanager ASEAN des Ostasiatischen Vereins (OAV).

Thailand hat erfolgreich den Wandel vom Schwellen- zum Industrieland vollzogen und die Wirtschaft des Landes wächst schnell. Mit knapp 57 % hat der Dienstleistungssektor, voran die Tourismusindustrie, den größten Anteil am BIP. Das verar­beitende Gewerbe trägt laut GTAI rund 27 % zum BIP bei. Thailand verfügt über qualifizierte Zulieferer und produziert technologisch anspruchsvolle Güter insbe­sondere im Auto­motive-Sektor. Es ist auch ein wichtiges Anker­land der ASEAN-Region.

Deutsche Unternehmen, die neue Wachstumsmärkte erschließen wollen oder die weitere Diversi­fizierung ihrer Lieferketten pla­nen, finden in ASEAN-Staaten interessante dynamische Märkte.

Die DEG vor Ort in Thailand und in der Greater-Mekong-Region

Das DEG-Büro in Bangkok ist auch für die Länder Bangladesch, Kambodscha, Laos, Myanmar sowie Vietnam zuständig. Von dem etablierten Netzwerk des DEG-Büros können insbesondere Investoren profitieren, die nicht aus der Region stammen: Unter anderem arbeitet das Büro mit Institutionen wie den deutschen Handelskammern vor Ort und den KfW-Büros in Kambodscha, Bang­ladesch, Nepal, Laos, Vietnam und Myanmar zusammen.

Die DEG vor Ort in Vietnam

Beim DEG-Partner HD Bank in Ho Chi Minh City kümmert sich seit Mai 2021 German Desk Manager Duy Tuan Tran um die Belange deutscher Unternehmen sowie ihrer lokalen Partner und berät mehrsprachig potenzielle Inves­toren. Neben Bank- und Finan­zierungsprodukten bietet der German Desk den Kunden die Vernetzung mit der lokalen Business Community und der deutschen Auslands­handels­kammer.

Der DEG-Satellit in Hanoi bietet seit 2019 langfristige Finan­zierungen und Beratung für Unternehmen, Finanzinstitute, Fonds und Projektfinanzierer in Vietnam.

DEG-News


DEG-E-Paper: neue Ausgabe

Das DEG-E-Paper ist jetzt in neuer Ausgabe mit viel­fältigen, multi­medialen Informationen rund um die DEG erschienen. Aktuelle Einblicke in die Zusam­men­arbeit mit Unternehmen und Testi­monials von DEG-Kunden bilden einen Schwer­punkt. Wie die neue DEG-Strategie mit Fokus auf noch mehr positive Entwicklungs- und Klimawirkungen aus­sieht und umgesetzt wird, ist ein weiteres Thema. In der Jubiläums­ausgabe wird außer­dem in einem Kapitel visualisiert, was sich seit Grün­dung der DEG vor 60 Jahren getan hat, in der Welt und in der DEG. Das DEG-E-Paper liegt auf Deutsch und Englisch vor.

Mehr Informationen

DEG auf dem German-African Business Summit in Johannesburg

Beim German-African Business Summit 2022 kamen in Johannesburg im Dezember rund 500 Vertreterinnen und -vertreter aus Wirtschaft und Politik zusammen. Seit ihrer Gründung finanziert und berät die DEG private Unter­nehmen, die in Afrika tätig sind. Dazu zählen afrikanische, deutsche und internationale Unternehmen, die dort inves­tieren. Beim German-African Business Summit 2022 war die DEG als Teil der KfW Banken­gruppe zusammen mit der KfW IPEX Bank und der KfW Ent­wicklungsbank vor Ort präsent und stellte dort die gesamte Bandbreite der DEG-Leistungen vor.

Mehr Informationen

­­­­­­Neuer German Desk Manager bei der Access Bank in Ghana

Seit Oktober steht ein neuer An­sprechpartner für deutsche Unter­neh­men in Ghana zur Verfügung: Max Heinrich wird Manager des German Desk – Financial Support and Solu­tions in Accra. Die German Desks der DEG, zusammen mit AHKs und lokalen Banken, bieten verschiedene Dienst­leis­tungen für mittelständische deutsche Unter­neh­men und ihre Handels­partner. Das Leistungs­spek­trum reicht von der Konto­ein­rich­tung über Dienstleistungen für Handels­finan­zierungen und Trans­action Banking bis zu Kreditlinien­ oder Inves­ti­tions­finan­zierungen für lokale Unternehmen, die etwa deutsche Anlagen erwerben wollen.

Mehr Informationen

Ich möchte den ­DEG-Newsletter für ­deutsche Unternehmen regelmäßig per E-Mail erhalten:

Anmeldeseite Newsletter