Nachhaltige Lieferketten
Newsletter: DEG für deutsche Unternehmen
Ausgabe 1 | März 2021
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
die politische Einigung auf ein Lieferkettengesetz – oder Sorgfaltspflichtengesetz, wie es jetzt heißt – schien noch Anfang des Jahres in weiter Ferne. Durchaus überraschend hat das Thema jedoch plötzlich an Dynamik zugelegt und es ist klar, es wird kurzfristig kommen. Damit stellen sich einmal mehr viele Fragen für einen Großteil der deutschen Unternehmen: Was bedeutet das für Unternehmen mit globalen Lieferketten? Wie umfangreich wird die Umstellung und woran müssen Unternehmen als erstes denken?
Die DEG unterhält bei der Agentur für Wirtschaft & Entwicklung den Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte, um die Unternehmen bei der Beantwortung der vielfältigen offenen Fragen zu unterstützen. Wir haben mit dem Leiter des Helpdesk gesprochen und ihm wertvolle Tipps entlockt. Diese sowie weitere Infos und Hintergründe zum Thema „Nachhaltige Lieferketten“ bringen wir Ihnen im aktuellen DEG-Newsletter für deutsche Unternehmen. Zum ersten Mal rein in digitaler Form. Wir hoffen, dass wir damit Ihren geänderten Nutzungsgewohnheiten entgegenkommen und freuen uns, wenn Sie uns weiterhin als treue Leser und Leserinnen erhalten bleiben.
Ihr Klaus Helsper Abteilungsleiter Deutsche Wirtschaft
Schwerpunkt
Unternehmerische Verantwortung in der globalen Lieferkette
Immer mehr deutsche Unternehmen sehen sich in der Verantwortung, nachhaltig zu wirtschaften und so ihren Beitrag zur Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDGs) zu leisten. Was können sie dafür tun? Und wo bekommen sie Unterstützung?
Seit Verabschiedung der „UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte“ 2011 wird weltweit darüber debattiert, wie menschenrechtliche Sorgfaltspflichten sowie Umwelt- und Sozialstandards in den globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten etabliert werden können. Konkret geht es dabei z.B. um Ausschluss von Kinderarbeit, faire Löhne, Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz und das entsprechende Risikomanagement: Wer etwa Agrarrohstoffe von Geschäftspartnern aus dem Ausland bezieht, sollte wissen, wie effizient das Wasser- und Abwassermanagement ist und wie chemische Dünger und Pestizide eingesetzt werden.
In Deutschland hat sich die Koalition im Februar auf den Entwurf eines Gesetzes verständigt, dass Unternehmen ab 2023 zur Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfalt im eigenen Betrieb und bei den direkten Zulieferern verpflichtet. Das Sorgfaltspflichtengesetz hat weitreichende Folgen für international agierende Unternehmen (mehr dazu siehe Interview mit Erik Wessels). Gibt es z.B. Hinweise auf Menschenrechtsverstöße bei den Zulieferern müssen die deutschen Unternehmen dem nachgehen.
Viele Unternehmen haben sich bereits im Vorfeld der gesetzlichen Regelung zur Einhaltung von Menschenrechten sowie Umwelt- und Sozialstandards in ihrer Lieferkette selbstverpflichtet. Sie profitieren davon, als „First-Mover“ auf künftige gesetzliche Verpflichtungen sowie auf absehbare wirtschaftliche und soziale Herausforderungen gut vorbereitet zu sein. So tragen ressourcen-effiziente Investitionen und die Etablierung von Umweltstandards dazu bei, Risiken zu minimieren, vor allem in den vom Klimawandel besonders betroffenen Entwicklungs- und Schwellenländern. Auch Arbeits- und Gesundheitsschutz für Mitarbeitende mindert Risiken und fördert zudem Resilienz in Krisenzeiten, wie aktuell währen der Corona-Pandemie deutlich wurde.
DEG-Förderung für nachhaltige Lieferketten
Die DEG stärkt die Nachhaltigkeit von Investitionen: Sie verbindet ihre Finanzierungen mit einem breiten Beratungsangebot zur Förderung von Umwelt-, Sozial- und Corporate-Governance-Standards. Dazu arbeitet in der DEG ein Team von erfahrenen Experten zusammen, unterstützt von externen Spezialisten.
So können über das Business Support Services Programm bereits jetzt etwa die Kosten für Schulungen oder Maßnahmen zur Förderung von Nachhaltigkeit und Menschenrechten in den Produktionsanlagen kofinanziert werden. Deutsche DEG-Kunden in Entwicklungs- und Schwellenländern und deren Lieferketten erhalten dafür Fördermittel bis zu 200.000 Euro. Auch über das von der DEG umgesetzte Programm develoPPP.de können sich interessierte Unternehmen um die Förderung bestimmter Maßnahmen bewerben.
Schon jetzt gibt es etliche Unternehmen, die sich in Interessensverbänden für Menschenrechte und Sozialstandards in den Lieferketten einsetzen: So wollen „FairTrade“ oder „Rainforest Alliance“ die Produktionsbedingungen im Kakao- und Kaffeesektor verbessern oder der „Grüne Knopf“ diejenigen im Textilsektor. Trotz aller Herausforderungen gehen sie davon aus, dass sich der Einsatz dafür langfristig auch wirtschaftlich rechnen wird. Denn faire Produkte werden zunehmend von Verbrauchern geschätzt und nachgefragt und nachhaltig produzierende Unternehmen gewinnen an Attraktivität für Investoren und Anleger.
Infografik
Globaler Welthandel und deutsche Unternehmen
80 %
des Welthandels machen globale Wertschöpfungsketten aus
450 Mio.
Menschen sind in globalen Lieferketten beschäftigt
Warenverkehr 2019 global
deutsche Exporte: 1.328 Mrd. EUR, Importe: 1.104 Mrd. EUR
Warenverkehr 2019 mit Ländern außerhalb der EU
Importe: 472,8 Mrd. EUR; Exporte: 550,3 Mrd. EUR
Die Außenhandels-quote*
stieg zwischen 2000 und 2019 von 48 % auf 87,8 %
* das Verhältnis von Waren- und Dienstleistungshandel zum BIP Quelle: BMZ, Statistisches Bundesamt, statista
Interview
„Schritt für Schritt die Lieferkette verbessern“ – Das neue Sorgfaltspflichtengesetz
Interview mit Erik Wessels, Leiter des Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte zum Thema wie Unternehmen Verantwortung für Umwelt- und Sozialstandards entlang der Wertschöpfungsketten übernehmen können.
DEG: Im Februar hat die Bundesregierung das Sorgfaltspflichtengesetz auf den Weg gebracht, das ab 2023 wirksam werden soll. Worum geht es im Gesetzesentwurf und welche Unternehmen sind davon betroffen?
Nach intensiver Erörterung hat sich die Bundesregierung auf eine verbindliche Regulierung zur Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfalt verständigt. Das Sorgfaltspflichtengesetz soll ab 2023 für deutsche Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern wirksam werden und ab 2024 ebenfalls für Unternehmen mit über 1000 Beschäftigten gelten.
Im Grundsatz geht es bei dem Sorgfaltspflichtengesetz darum, dass Unternehmen sicherstellen sollen, dass durch die eigenen Aktivitäten keine Menschenrechte verletzt werden. Auch wenn die Details noch ausgearbeitet werden, sollen sich die im Gesetz verankerten Sorgfaltspflichten eng an den UN-Leitprinzipien orientieren. Unternehmen sollen potenziell nachteilige Auswirkungen ihres Handelns auf Menschen (z.B. Beschäftigte, Anwohner, Kunden) identifizieren, passende Maßnahmen zur Minimierung oder Abhilfe ergreifen und transparent über diese Aktivitäten berichten. Auch sollen sie gut zugängliche Beschwerdeverfahren einrichten. Es geht also um die Einführung eines robusten Umwelt- und Sozialmanagementsystems. DEG: Bereits seit 2017 berät der Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte Unternehmen dazu, wie sie mehr Verantwortung übernehmen und menschenrechtliche Sorgfaltsprozesse im Kerngeschäft verankern können. Wie wird Ihr Angebot angenommen? Wie können Sie Unternehmen dabei unterstützen, sich auf das Sorgfaltspflichtengesetz vorzubereiten?
Wir beraten Unternehmen bereits kostenlos im Rahmen des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte (NAP), der auf eine freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft setzt. Dazu erhalten wir Anfragen von Unternehmen unterschiedlicher Größe und aus verschiedensten Branchen. So haben wir bislang über 900 Beratungen durchgeführt, was deutlich macht, dass das Thema für viele Unternehmen relevant ist. Besonders viele Anfragen bekommen wir aus der Ernährungs- und der Automobilindustrie. Viele, insbesondere mittelständische Familienunternehmen haben entweder Zulieferer in Entwicklungs- und Schwellenländern oder sind dort mit eigenen Standorten tätig.
Natürlich wirft die gesetzliche Entwicklung viele Fragen bei Unternehmen auf. Daher haben wir unser Angebot erweitert und beraten Unternehmen nun auch zu rechtlichen Entwicklungen und Fragestellungen. DEG: Was macht es für Unternehmen besonders herausfordernd, die Lieferketten nachhaltiger zu gestalten? Diese Aufgabenstellung klingt zunächst sehr umfangreich und viele Unternehmen mögen sich die Frage stellen: Wo soll ich anfangen?
Natürlich sind die Liefer- und Wertschöpfungsketten vieler Unternehmen heutzutage global und vielfach sehr komplex und die Unsicherheit, ob alle Vorgaben beachtet werden, steigt erst einmal.
Um ein Beispiel zu geben: Bereits heute muss sich ein deutscher Anlagenhersteller genau überlegen, welche umweltrechtlichen Standards und Zertifizierungen die eigene Produktion z. B. in Mexiko erfüllen muss. Aber soll er sich mit der Einführung des Sorgfaltspflichtengesetzes nun auch noch konkret mit der Frage auseinandersetzen, wie viele Stunden die Mitarbeiter eines Schrauben-Zulieferers aus Indien arbeiten und ob die Rechte dieser Mitarbeiter eingehalten werden?
Um sich nicht in Details zu verlieren, führen wir mit dem Unternehmen erst einmal eine Risikoanalyse durch und überlegen gemeinsam, wo entlang der Liefer- und Wertschöpfungskette Risiken bestehen, wie diese zu bewerten sind und mit welcher Priorität an einer Verringerung gearbeitet werden sollte. Dabei müssen sich unsere Partner mit einer Vielzahl von Fragen beschäftigen: Welche branchen- und länderspezifischen Risiken gibt es grundsätzlich? Welche Risiken treffen tatsächlich auf mein Unternehmen zu? Welchen Einfluss hat mein Unternehmen, die Risiken zu minimieren? Das sind nur einige von vielen Fragen, zu denen wir die Unternehmen beraten.
Gerade weil die Aufgabe zunächst schwierig erscheint, ist es aus unserer Sicht wichtig: Nicht die Augen verschließen, sondern das Thema angehen und versuchen, Schritt für Schritt die Lieferkette nachhaltiger zu gestalten. DEG: Wie überzeugen Sie Unternehmen davon, dass es auch wirtschaftlich Sinn macht, sich für nachhaltige Lieferketten einzusetzen?
Unsere Erfahrung ist, dass die meisten Unternehmen überhaupt nicht von der Notwendigkeit von Nachhaltigkeit überzeugt werden müssen. Ökologische und soziale Nachhaltigkeit sind in den Strategien und Leitprinzipien fast aller Unternehmen fest verankert – aus dem Verantwortungsbewusstsein gegenüber Menschen heraus, sowie auch aus dem Bewusstsein heraus, dass nachhaltiges Handeln einen Wettbewerbsvorteil bietet.
Nehmen wir erneut das Beispiel des deutschen Anlagenherstellers. Stellen Sie sich vor, dass dieser sich eines Tages mit folgender Schlagzeile konfrontiert sieht: „Deutscher Anlagenhersteller missachtet Menschenrechte – Mitarbeiter bei indischem Zulieferer arbeiten 20 Stunden am Tag“. Eine solche Überschrift wird ein Unternehmen nicht nur aus ethischen Gründen vermeiden wollen, sondern auch um seine Reputation und die Qualität seiner Produkte sicherzustellen. DEG: Wie gehen Sie bei den Beratungen konkret vor? …
KONTAKT Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte Erik Wessels Wessels@wirtschaft-entwicklung.de Telefon: +49 (0) 30 590099-430
DEG-News
Paraguay: Hilfspakete für Altpapiersammler
Mit dem Projekt „United against COVID 19“ unterstützte das deutsche Recyclingunternehmen WEIG in Paraguay lokale Arbeitnehmer, Zulieferer sowie Altpapiersammler und andere Bedürftige mit Lebensmittel- und Hygienepaketen. Die DEG stellte dafür 70.000 EUR aus Mitteln des BMZ über ihr BSS-Programm „COVID-19 Response“ zur Verfügung. Davon profitierten insbesondere die Müllsammler, die wiederverwertbaren Abfall sammeln und weiterverkaufen, um sich und ihren Familien eine bescheidene Existenz zu sichern. Der landesweite Lockdown in Paraguay ab April 2020 machte ihre Arbeit praktisch unmöglich. Die deutsche WEIG GROUP ist ein langjähriger DEG-Kunde und bietet Recycling-Dienstleistungen, Karton-Produkte und Verpackungen mit eigener Wertschöpfungskette an, seit 1978 auch in Paraguay mit ihrer Tochtergesellschaft Karton Tecnico del Paraguay.
Kenia: Fachkräfte für Schuhproduktion
Die DEG kofinanziert in Kenia ein Ausbildungsprogramm der Josef Seibel Holding GmbH über das develoPPP.de Programm mit Mitteln des BMZ. Der familiengeführte deutsche Schuhhersteller produziert in Ukunda, nahe Mombasa, hochwertige Lederschuhe für Schuluniformen für den Markt in Kenia und anderen ostafrikanischen Ländern. Jetzt hat das Unternehmen in einer der ärmsten und strukturschwächsten Regionen des Landes neben der Produktionsstätte eine Lehrwerkstatt eingerichtet. Dort werden Schulabgänger, vor allem junge Frauen, zu zertifizierten Fachkräften für Lederverarbeitung und zu industriellen Schuhfertigern ausgebildet. In Zusammenarbeit mit der IHK Pirmasens und der Auslandshandelskammer in Nairobi sollen künftig 20-30 Ausbildungsplätze pro Jahr entstehen. Auch für Maschinenmechaniker und IT-Fachleute bietet das Ausbildungszentrum jährlich zwei Einstiegspositionen an.
COVID-19 Support für Steiff Tunesien
Das für seine kuscheligen Plüschtiere und hochwertige Kindermode bekannte deutsche Traditionsunternehmen Steiff unterhält neben der Fertigung in Giengen auch einen eigenen Produktionsstandort in Tunesien. Während der Corona-Krise unterstützt die DEG das nordafrikanische Steiff-Werk durch eine Finanzierung über das AfricaConnect-Programm aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Das Darlehen hilft, einen wichtigen Arbeitgeber in einer industriell schwächer entwickelten Region Tunesiens zu stärken und Arbeitsplätze durch die Pandemie hinweg zu sichern. Steiff beschäftigt in seinem Werk in Sidi Bouzid rund 800 Mitarbeiter. Die Finanzierung ermöglicht dem Unternehmen darüber hinaus die zukünftige Zertifizierung nach dem Global Organic Textile Standard (GOTS).
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